Wir Menschen sind anfällig für Vorurteile. Auch wir sind da keine Ausnahme. Leider. Über die Côte d’Azur hatten wir im Vorfeld natürlich schon einiges gehört und auch von anderen Reisenden erfahren. Das prägte, wie wir darüber dachten. Das ging so weit, dass wir fast in Erwägung gezogen hätten die südfranzösische Küste ganz zu übergehen und direkt an den Atlantik oder in die Provence zu fahren. Glücklicherweise haben wir uns nicht so entschieden.
Die Berichte drehten sich alle um die Masse an Menschen, die hier im Sommer einfällt. Ja, Massen an Menschen gehen wir gern aus dem Weg, in Südfrankreich kommen die Massen jedoch erst, wenn in ganz Frankreich die Sommerferien ausgerufen werden. In der Regel ist das in den ersten Juli-Wochen der Fall. Also für uns noch genügend Zeit die Gegend, zumindest ohne den großen Ansturm zu erkunden. Immerhin muss es ja einen gewaltigen Grund geben, warum so viele Menschen hierher strömen, auch wenn es im Sommer unangenehm voll ist. Und der Grund muss wohl oder übel in der Schönheit des Stückchen Landes liegen.
Und so legte also unsere Fähre von Sardinien im französischen Toulon an und wir bezogen Quartier auf dem nahegelegenen Camping International, auf der Halbinsel von Giens bei Hyères.
Unsere Highlights an der Französischen Riviera
Jonah lernt laufen & der Aufschwung in der Baby-Kulinarik
Das erste Highlight ist ganz klar ein ganz persönliches. Es ist unbezahlbar die Entwicklungsschritte des eigenen Kindes hautnah begleiten zu können, vor allem wenn es sich um Meilensteine wie das Laufenlernen handelt. Jonah nutze die Gunst der Stunde und legte zunächst wenige Schritte und kurz darauf eine Menge Schritte zurück. Es gab bei ihm keine lange Phase in der er unsere Hand zur Unterstützung wollte. Wir zählten seine Schritte zu Beginn… 12, 20, 28… dann 118. Und wir gestanden uns ein, dass unser Baby gar kein Baby mehr ist. Mit gemischten Gefühlen, doch auf jeden Fall voller Stolz.
Mit Frankreich stieg – nebenbei bemerkt – auch die Qualität der verfügbaren Babynahrung. In Italien sah es eher mau (oder sehr gezuckert) aus, während in Frankreich wieder naturbelassene Produkte erhältlich waren, die Jonah dankend akzeptierte.
Cassis und die Calanques
Cassis ist eine kleine Hafenstadt, die schon an sich schön anzusehen ist. Doch damit nicht genug. Cassis liegt an einer der schönsten Küstenabschnitte Südfrankreichs. Fjordähnliche Meeresarme ragen weit ins Landesinnere, mit steilen, felsigen Küsten und kleinen, versteckten Stränden. Es erinnerte uns fast ein wenig an das Fiordland in Neuseeland, in einer sonnigeren Umgebung.
Die Calanques können sehr schön im Kanu, oder – wenn das zum Beispiel mit einem Baby noch nicht so gut möglich ist – in einer Bootsfahrt angesehen werden. Alternativ dazu gibt es noch anspruchsvolle Wanderwege entlang der Küste, um die Calanques per Fuß zu erkunden. Diese sind jedoch in den Sommermonaten gesperrt, daher lohnt es sich diesen Umstand vorab zu prüfen.
Wir nahmen die Option wahr die Calanques per Boot zu erkunden und waren beeindruckt von der Schönheit der Landschaft. Unsere Jungs freuten sich über eine wellige Bootsfahrt entlang der Küste, die in Pauls Höhepunkt endete selbst einmal das Boot zu steuern.
Bormes-les-Mimosas – das Blumendorf
Die Fahrt in diesen kleinen Ort war unser erster Ausflug auf französischem Boden. Die Schönheit des kleinen Ortes hat es uns direkt angetan und wir dachten das schönste französische Dorf direkt gefunden zu haben. Auch wenn Bormes-les-Mimosas diesen Titel auf jeden Fall verdient hätte, fügt es sich in eine ganze Reihe unwahrscheinlich schöner Gemeinden in der Gegend ein. Was dieses kleine Dorf dennoch einzigartig schön macht, ist, dass es seinem Beinamen „Ort der Blumen“ in jedem Sinne gerecht wird. Überall duftet es nach frischen Blumen und überall – wirklich in jeder kleinen Gasse – sind bunte Pflanzen zu sehen.
Sanary-sur-Mer – Prototyp einer Hafenstadt
Auch auf die Gefahr hin, dass es einseitig klingt: auch dieser kleine Ort hat es uns angetan. Ein wenig wie ein Prototyp für einen französischen Küstenort. Ein hübscher Hafen, alte Karussells für die Kinder, enge, niedliche Gassen mit kleinen Geschäften und traditionellen Bäckereien. Und wie es sich für eine Hafenstadt am Meer gehört gibt es auch überall frischen Fisch zu essen beziehungsweise auf dem Wochenmarkt zu kaufen.
Wanderung entlang der Küste der Halbinsel von Giens
Eine der besten Sachen, die wir an der französischen Küste gemacht haben, war direkt vor unserer Haustür auf der Halbinsel von Giens gelegen. Dort existiert ein Wanderweg, der an der Küste entlang fast um die gesamte Halbinsel führt. Wir wanderten einen Abschnitt davon von Giens, über Port du Niel bis nach Plage des Darboussières und auf der anderen Inselseite zurück. Die Wanderung war für Paul – mit etwas Hilfe – gut machbar und auch mit Jonah in der Kraxe problemlos, auch wenn es an einigen Stellen kniffelig wurde.
Dafür belohnt wurden wir mit sehr schönen Ausblicken auf kleine Buchten umgeben von türkisfarbenen Meer.
Saint-Tropez – lohnt sich das?
Oh, die Vorurteile. Wir hatten uns von den Vorurteilen zu Südfrankreich gelöst, doch Saint-Tropez stellte uns noch einmal auf die Probe: Das Mekka der Reichen und Schönen, der Luxus-Yachten und den dazugehörigen Helikoptern, Begegnungsort von Luxusmode und -essen.
Doch so ganz stimmte dieses Bild nicht. Natürlich fanden wir in Saint-Tropez all das, doch – zumindest in der Vorsaison – ist weiterhin der kleine, feine Fischerort zu erkennen, der es einst war.
Wir schlenderten also durch die kleinen Gassen, bestaunten die Imposanz der im Hafen liegenden Yachten und ließen uns ein wenig treiben. Und wir verließen die Stadt entspannt, ganz ohne Hektik oder Stau und behielten ein positives Bild von ihr. Auf dem Rückweg besuchten wir noch den kleinen, vorgelagerten Ort Grimaud, der ein wenig an Venedig erinnert. Überall Wasserstraßen und Bootsanlegestellen inmitten hübscher Häuschen.
Auf dem Rückweg nach Giens haben wir dann sogar die kurvige Küstenstraße genommen. Wir geben zu, für das Wohlergehen der Kinder und um die Fahrzeit gering zu halten – nutzen wir häufig auch Autobahnen statt der kurvigen Serpentinen entlang von Bergen oder Küsten. Was nützt eine schöne Küste oder ein Ausblick, wenn die Gesichter der Kinder grün anlaufen oder im Auto die Hölle losbricht?
Doch diese Küstenstraße wollten wir unbedingt noch fahren und genossen schließlich die kurvige Fahrt entlang der wunderschönen Küste dank passendem Timing (beide Kinder schlafend).
Nizza – hier könnten wir gut leben
Mit Nizza stand seit langem wieder einmal eine etwas größere Stadt auf der Agenda. Das machte sich auch direkt im Verkehr bemerkbar. Nicht nur, dass wir an diesem Tag für die Autobahnnutzung und fürs Parken fast 50 Euro berappen würden, nein, auch der Stadtverkehr zu den Stoßzeiten war deutlich zu spüren.
Wir parkten unser Auto aber schließlich im Parkhaus (Interparking) am Jardin Albert 1er, direkt an der Promenade des Anglais. Von dort aus war auch eben diese Promenade unser erstes Ziel. Dort flanierten wir entlang der Promenade mit Blick auf den Strand und das Meer zur einen Seite und zur Stadt auf der anderen Seite. Der erste Eindruck von Nizza – wohlgemerkt nachdem wir das Auto abgestellt hatten – war sehr positiv. Die Stadt fühlte sich gut an.
Wir liefen danach weiter in die Vieille Ville – die Altstadt – von Nizza. Dort findet man die typisch französischen Märkte, schmale, hübsche Gasse mit vielen Geschäften und Eisläden. Außerdem natürlich eine Menge Geschichte und schicke Kirchen. Nach einer Mittagspause ganz in der Nähe der sehenswerten (auch und vor allem von Innen) Cathédrale Sainte-Réparate, wagten wir den Weg hinauf zum Parc de la Colline du Château. Von dort oben gibt es zahlreiche lohnenswerte Aussichtspunkte auf die Stadt sowie einen schönen Kinderspielplatz.
Doch nicht nur auf die Promenade und auf die Altstadt hat man von dort oben einen guten Blick, sondern auch – zur anderen Seite hinüber – auf den Hafen von Nizza. Ähnlich wie schon in Saint-Tropez liegen auch hier wirkliche Mega-Yachten.
Den Parc de la Colline du Château verließen wir zur Hafenseite und bahnten uns den Weg zur grünen Zunge Nizzas, der Promenade du Paillon, die aus der Stadtmitte bis zur Promenade am Meer reicht und dabei auch einige der zentralen Plätze Nizzas mit einschließt, so zum Beispiel den Place Masséna und Place Garibaldi.
Dieser grüne Streifen beherbergt außerdem zahlreiche Kinderspielplätze für alle erdenklichen Kinder-Altersgruppen sowie einen riesigen Wasserspielplatz. Genau richtig an so heißen Tagen um die 30°C.
Nach ausgiebigem Spielen und der kleinen Abkühlung traten wir dann den Rückweg an und waren uns sicher, dass die Stadt Nizza einen Platz auf unserer “Da könnten wir leben”-Liste bekommen wird.
Fahrradwege – es fühlt sich wie Freiheit an
Nach Italien, wo wir unsere Räder fast immer ungenutzt beim Weiterfahren wieder eingeladen haben, konnten wir sie endlich wieder vernünftig nutzen.
In Italien gab es bis auf wenige Ausnahmen keine Radwege und im Straßenverkehr Italiens insgesamt wenig Herz für Radfahrer. Einzig am Gardasee haben wir eine größere Tour mit dem Rad unternehmen können.
In Frankreich erwartete uns dann das genaue Gegenteil: gut ausgebaute Radwege in einem dichten Wegenetz. So konnten wir direkt ab Giens bis La Londe zum Markt fahren und dabei nur geringfügig die Straße mit Autos teilen (Nebenstraßen).
Restaurant Tipp: Le Jardin in Hyères
Am Rande der Altstadt, am Hotel de Ville, liegt das kleine Restaurant Le Jardin. „Der Garten“ auf Deutsch trifft es sehr gut, da das Ambiente im kleinen Gartenlokal diesem Namen vollkommen gerecht wird. Das Essen das dort serviert wird, übertrifft jedoch noch das wunderschöne Ambiente. Unglaublich lecker!
Unser Campingplatz: Camping International Hyères
Die Empfehlung für diesen Platz haben wir von einer Familie auf Sardinien bekommen. Wir sind sehr froh dieser Empfehlung gefolgt zu sein. Der Platz liegt auf der Halbinsel von Giens, die vom Festland durch eine Saline und einen schönen, langen und flachen Strand getrennt ist. Der Strand ist zu Fuß nach überqueren einer Straße gut erreichbar, wenngleich er nicht direkt am Platz angrenzt.
Einziger Kritikpunkt bisheriger Rezensionen waren die sanitären Anlagen, die jedoch ganz neu umgebaut wurden. Dabei wurde auch viel Rücksicht auf die kleinen Gäste genommen und so gibt es ein sehr gutes Babybad mit Badewanne und mehrere Kindertoilettten.
Der Platz ist sehr klein und gemütlich, bietet jedoch ausreichend Platz für die Kinder zum toben und darüber hinaus noch einen Spielplatz, Pool und ein Restaurant. Auch einige Wellnessangebot sind vorhanden (haben wir jedoch nicht getestet) sowie eine Kite- und Windsurfschule.
Der Pool und die Beschaffenheit des Meeres sagte unseren Jungs vollkommen zu. Baden, Burgen bauen und Muscheln sammeln gehörte fest zu unserem Alltag.
Der Platz eignete sich für das Erkunden der Côte d’Azur und zum Entspannen so gut, dass wir hier ganze zwei Wochen blieben und keine Notwendigkeit sahen noch einmal an der Küste umzuziehen.
Einziger Nachteil war die Mückensituation. Durch die Saline und andere kleine (stehende) Gewässer vor der Tür waren die Dämmerungszeiten unerträglich (beziehungsweise nur dann, wenn genug Wind war oder wir am Meer waren). Oberste Priorität hatte deswegen zu dieser Tageszeit den Camper verschlossen zu halten, um nicht die Nachtruhe durch die kleinen Biester in Gefahr zu bringen.
Frankreich Fun-Fact: weite Badeshorts sind in Pools des ganzen Landes verboten. Nur Badehosen sind erlaubt. Warum? Das konnte uns niemand so genau sagen… irgendwas mit Hygiene hat es wohl zu tun. Dennoch, die Regel muss dringend durchgesetzt werden und ich musste mir eine neue Badehose kaufen, die ich nie (wirklich nie) wieder anziehen werde. Viele andere Männer ebenso. Vielleicht eine Idee des französischen Badehosen-Kartells?
Unser Fazit
Es mag sein, dass einige Vorurteile oder Meinungen über die Côte d’Azur korrekt sind, vor allem in der Hauptreisezeit im Juli und August, jedoch sind wir sehr froh uns selbst ein Bild gemacht zu haben. Wir haben die französische Riviera in der Vorsaison anders kennengelernt, als uns die Schilderungen nahegelegt hatten und können den Hype um diese Gegend gut verstehen. Es muss ja auch einen Grund geben, warum diese Gegend im Sommer nur so von Touristen überfallen wird.
Giens Halbinsel als Ausgangspunkt für die Erkundung der Gegend können wir vollkommen empfehlen, da das Gebiet selbst einiges bietet, ohne auf das Auto angewiesen zu sein und gleichermaßen gut positioniert ist, um Ausflüge entlang der Küste und auch ins Landesinnere anzugehen.